Es hat sich etwas Ungeheures zugetragen. Etwas, für das die Welt, die dieses Ungeheurliche hervor gebracht hat, Tage braucht, um es sich einzugestehen. In Massen treffen Bekennerbriefe ein, deren Echtheit zwar von oberster Stelle angezweifelt wird, die als Massenbekenntnis aber gleichwohl für einen anderen Sachverhalt Beweis sind: Etwas, sogar alles, ist so erheblich aus dem Lot geraten, dass Erklärung nicht reicht.
In dem Hörspiel "die Idee der Strafe" von Albrecht Kunze, der neben seiner Tätigkeit als Autor auch Musiker bei der Formation MÄRZ ist, schraubt sich die Erkenntnis über das Ausmaß der Katastrophe mittels konzeptuell angewendeter akustischer Vehikel langsam ins Bewusstsein. Zunächst ist es eine Ahnung, die vor allem der Stimme der virtuos vortragenden Sprecherin Karolina Sauer (weitere Sprecherin: Claudia Splitt, Cello: Matthias Lorenz) innewohnt, später verdichten sich die anfänglichen Fragmente zu einer treibenden Dynamik. Dabei haut Albrecht Kunze auch nicht annähernd in die Katastrophen-Klaviatur. Der Auslöser, jener Knall, der so laut war, dass sich später alle Menschen erinnern sollten, wo sie waren und was sie taten, ist in "die Idee der Strafe" geflüstert. Der höchst wandelbare akustische Raum, in dem die Sprache sich bewegt, ist auch eine subtile Allegorie auf die mediale Einbettung von Ereignissen: Er bereitet Platz für die Faszination des Schauers, für das Bedrängtsein durch imaginierte Bilder, und das wohlige Gefühl, sobald sich eine bestimmte Rhythmik, etwas Vorhersehbares in der Struktur, erkennen lässt. Doch sicher ist nur: Am Ende steht doch wieder das Ungewisse.