wie wir den Krieg gewannen

beginnt am Rand der entmilitarisierten Zone und:
inmitten eines Konvois gepanzerter Fahrzeuge, die Begleitung und Schutz sind für: die Einzigen Zeugen - eine Gesangsgruppe für kontrollierte Interventionen, auf ihrer Tour durch Basislager, Versorgungscamps und Think-Tanks.

Kurz vor Morgengrauen, in der stillsten Stunde der Nacht, reißt eine Explosion den Konvoi auseinander und die Einzigen Zeugen tief in das Herz der Kämpfe, die sie bislang nur aus der Entfernung wahrgenommen haben. Versprengt und verlassen finden sie sich hinter den feindlichen Linien wieder, wobei sie nie mit Sicherheit sagen können, auf wessen Seite sie gerade stehen, denn:
schneller als man die Lage begreift, wechseln die Frontverläufe und Koalitionen der untereinander verfeindeten Gruppierungen.

Sie beschließen, trotz der veränderten Situation ihren Verpflichtungen nachzukommen, und versuchen, während die Geschosse über sie hinweg fliegen, der neuen Lage mit neuen Songs Herr zu werden - doch schwindet allmählich die Kraft der Melodien. Denn: sie sehen Dinge, und: werden mit Dingen konfrontiert, die niemand von ihnen selbst in den dunkelsten Stunden im Studio sich jemals hatte vorstellen können.

NILSSON 1: Inmitten zerfallender Landschaften, und: inmitten diverser lokaler Auseinandersetzungen und bewaffneter Konflikte, zwischen Privatarmeen, Paramilitärs und versprengten Resten staatlicher Gewalten ist etwas im Gang, dass die Bezeichnung Krieg in der bisher bekannten Form so nicht mehr erlaubt - was es nicht leichter macht für die Einzigen Zeugen: sich zurechtzufinden im jetzt zersprengten Zentrum des Geschehens.
Als Gerüchte aufkommen über eine Verschwörung hinter unserem Repertoire: Gerüchte, nach denen unsere Songs als geheime Datenträger mißbraucht werden, spitzt sich die Lage zu, und einen mißglückten Anschlag während eines Auftrittes vor logistischen Kommandos verstehen wir als ein Zeichen:
etwas kommt auf uns zu, dass uns einschließen und verändert wieder frei geben wird - falls wir es überleben.

Als Gerüchte aufkommen, Gerüchte über eine Verschwörung hinter ihrem Repertoire, spitzt sich die Lage zu, und einen mißglückten Anschlag während eines Auftrittes vor logistischen Kommandos versteht die Gruppe als ein Zeichen:
als ein Zeichen, dass es so nicht weitergehen kann, weswegen man beschließt, für eine Weile sich zurückzuziehen, um zu klären, für wen und was man eigentlich singt.
Für wen und was man entlang Konfliktlinien sich bewegt, und: ob die Gefahr, der man gerade noch entkommen ist, von nun an ein Begleiter wird.

Sie finden Zuflucht in einem Flüchtlingslager, in dem, nach wochenlangem Ausbleiben dringend benötigter Hilfsgüter, die Situation zu eskalieren droht, und wo Konflikte am Rand von Stellvertreterkriegen den Tagesablauf bestimmen. Als Fortsetzung, oder aber: Kompensation der großen, die Region zerstörenden Auseinandersetzungen und Konflikte.

NILSSON 2: Überall Milizen und bewaffnete Verbände, deren Größe und vor allem: Zugehörigkeit unklar ist, manche von ihnen ganz nah, und: niemand kann sagen, was im nächsten Moment geschieht.
Haben wir das alles nur geträumt, oder: in der Hitze des Tages, die wir nach wie vor in uns tragen, phantasiert?
Ich meine:
weiß eigentlich jemand, wie viele Kriege nach wie vor im Verborgenen stattfinden, an unzugänglichen oder: vergessenen Orten, und in - wie man so sagt - aller Stille, und ohne dass irgend jemand Kenntnis davon nimmt?

Als das Lager angegriffen wird, versehentlich oder nicht, erkennen die Einzigen Zeugen, dass sie sich nicht länger hinter Mikrofonen, Melodien oder was auch immer verstecken können, und begreifen, dass wichtige Entscheidungen anstehen, auch wenn sie jetzt nur ahnen können, welche.

Mit:
Elke de Boer, Nikola Duric, Clemens Giebel, Karolina Sauer, Jan Single, Claudia Splitt
Text, Musik, Regie:
Albrecht Kunze
Redaktion:
Gisela Corves
Produktion:
Westdeutscher Rundfunk 2003, 53min
  1. Alles beginnt am Rand der entmilitarisierten Zone
  2. Song 1
  3. Die Einzigen Zeugen, eine Gesangsgruppe für kontrollierte Interventionen
  4. Singen unter Konfliktbedingungen
  5. Überall Milizen und bewaffnete Verbände
  6. Wessen Krieg ist das hier?
  7. Eines der auffälligsten Merkmale
  8. Regionen in völliger Auflösung
  9. Faktoren für das Entstehen und Andauern gewaltoffener Räume
  10. Seitdem wir geflohen und gefallen sind
  11. Ein politisches Problem hat keine militärische Lösung, oder?
  12. Song 2
  13. Leises Gespräch zwischen Nilsson 1 und Nilsson 2
  14. Song 3
  15. Inmitten der Kämpfe, die wir bislang nur aus der Entfernung wahrgenommen haben
  16. Die historische Stunde, strategísche Minute, taktische Sekunde
  17. Brauchen wir eine konkrete Strategie?
  18. Eine Entscheidung ins Ungewisse
  19. Die Einzigen Zeugen
  20. In der Hauptsache geht es doch darum, was danach kommt, oder?
  21. Eine Sache, der man ja zu selten nur Beachtung schenkt
  22. Schadensbekämpfung oder Schadensbegrenzung
  23. Dies ist die Lage
  24. Jetzt, da wir als Gruppe am Ende sind
  25. Früher, in annähernd vergleichbarer Situation
  26. Song 4
  27. Die Stimme der Schlußwendung